von Martin Bödicker
Im Taijiquan spricht man von den 13 Grundbewegungen (Shisanshi). Eine dieser Grundbewegungen ist der Einsatz des Ellenbogens (zhou). Der Einsatz von zhou wird im Klassiker Das Geheimlied der acht Methoden (Bafa mijue) näher erläutert:
„Wie erklärt man die Bedeutung von zhou?
In dieser Methode gibt es die fünf Wandlungsphasen (wuxing).
Yin und yang trennen sich in oben und unten.
Voll (shi) und Leer (xu) müssen klar unterschieden werden.
Den verbundenen Bewegungen kann man sich nicht widersetzen.
Bei Faustschlägen wird es noch heftiger.
Wenn man die sechs jin-Kräfte durchdrungen hat,
sind die Anwendungen unerschöpflich.“
(Wu, S. 102)
Der Einsatz des Ellenbogens ist eine höchst effektive und gefährliche Technik. Dies verleitet aber leicht dazu, sie gegen die Kraft des Partners einzusetzen, um so seinen Angriff zu brechen. Dies ist aber nicht richtig. Ma Yueliang kommentiert zu zhou:
„Man drückt auf die leere (xu) Stelle des Anderen.“
(Ma, Xu, S. 11)
Hier wird zum zweiten mal darauf hingewiesen, dass das yin-yang-Paar Leer und Voll bei zhou von Bedeutung ist.
Das Paar Leer und Voll wird auch von Alters her in der strategischen Literatur Chinas verwendet. So ist z.B. in Sunzis Die Kunst des Krieges (Sunzi bingfa) ein ganzes Kapitel mit „Leer und Voll“ benannt. In ihm weist Sunzi daraufhin, dass man „auf dem Weg zum Sieg, die vollen (shi) Punkte des Gegners vermeidet und die leeren (xu) angreift.“ (Ames, S. 124) Wu Gongzao, der 2. Sohn Wu Jianquans, formuliert es in seinem Aufsatz „Leer und Voll“ ganz ähnlich:
„Wenn der Andere voll ist, vermeide ich ihn.
Wenn der Andere leer ist, greife ich an.“
Aus der Sicht der chinesischen Strategemik richtet sich ein Angriff nie gegen die Kraft des Anderen. Vielmehr wird vor dem Angriff versucht, die leeren bzw. schwachen Stellen des Anderen auszumachen. Ein Angriff findet dann nur hier statt und ist so auf jeden Fall erfolgversprechend. Im Taijiquan ist bei dieser Vorgehensweise das Fühlen (tingjin) von besondere Bedeutung, denn nur so können die leeren Punkte auch ausgemacht werden. Die Fähigkeit des Fühlens darf sich aber nicht nur auf die Händen erstrecken, sondern muss auch in den Ellenbogen entwickelt werden.
Ames Roger, Sun-tzu: the art of war, Ballantine Books, New York 1993
Ma Yueliang, Xu Wen, Wushi Taijiquan Tuishou, Xianggang Shanghai Shuju Chuban, Hongkong 1986
Wu Gongzhao, Wujia Taijiquan, Xianggang Jianquan Taijiquanshi Chubanxiaozu, Hongkong 1981
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